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Game Changer Portrait #1:
Oliver Blume
Aufbruch in neue Erlebniswelten – „Customer Experience First“
Oliver Blumes Weg zu einem Game Changer – einem Menschen, der Bestehendes nicht nur hinterfragt, sondern gewissermaßen auf den Kopf stellt – begann vor vielen Jahren mit einer interessanten Beobachtung: Apotheken sind keine kundenfreundlichen Orte. Da sie oftmals auf eine lange Tradition zurückblicken, sind sie meist gediegen-dunkel oder sogar altmodisch eingerichtet und von daher nicht besonders einladend. Zwischen Kunde und Apotheker befindet sich in der Regel der Tresen als Barriere. Das Verkaufsgespräch läuft nicht selten wie Frontalunterricht ab: Der Kunde erhält eine Belehrung darüber, was er benötigt und was nicht und wie er dieses und jenes einzunehmen hat. Dabei hat der Verbraucher im Grunde so gut wie kein Mitspracherecht und häufig wird er nicht nach seiner Meinung gefragt. Sein Part beschränkt sich auf Nicken und Zahlen. Eine moderne Customer Experience sieht definitiv anders aus.
Dieses Erfahrung ließ Oliver Blume nicht mehr los: Er suchte das Gespräch mit einem befreundeten Apotheker. Auch der musste zugeben, dass Apotheken sich unhinterfragt an jahrzehntealte Traditionen und ungeschriebene Gesetzen halten, die eigentlich nicht nachvollziehbar und ganz sicher nicht mehr zeitgemäß sind. Die Folgen lassen sich gut beobachten, denn vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass heute viele Apotheken schließen müssen. Befördert wird diese Entwicklung noch durch den Vormarsch von Online-Apotheken, die, dem allgemeinen Trend zum mehr Online-Handel folgend, mit einem wesentlich positiveren Einkaufserlebnis beim Kauf von Gesundheitsprodukten, mit persönlicher Beratung und oft günstigeren Preisen beim Verbraucher punkten.
Der Beginn von Blumes Weg zum Game Changer war also die Einsicht, dass die meisten Menschen bei ihrer Entscheidung, Innovationen anzugehen, viel zu oft von Annahmen ausgehen, die in der Vergangenheit getroffen wurden und die heute vielfach überholt sind. Der Zeitgeist ist über sie hinweggegangen.
Für Blume war das Ansporn genug, eine ganz neue Art von Apotheke – die easyApotheke – mit einer modernen Customer Experience zu entwickeln. Dazu konzeptionierte er Märkte rund um das Thema Gesundheit, die eine völlig neue Art des Medikamenteneinkaufs boten. Das fängt schon beim Beitreten dieser neuartigen, angenehm gestalteten Läden an. Der Kunde sieht eine farbenfrohe Innenarchitektur, Bildern an den Wänden und betritt ein Ladenlokal, das so ganz anders gestaltet ist, als er es von herkömmlichen Apotheken gewohnt ist. Hier kann der Kunde selbst bestimmen, ob er die Beratung des Fachpersonals einholt oder ob er selbst nach eigenen Vorstellungen einkauft.
Mit der Schaffung der easy Apotheke wurde das Health-Shopping also zum positiven Erlebnis, das die Kunden und ihre veränderten Einkaufsgewohnheiten erfolgreich abholte. Für Blume war dieser Erfolg eine Initialzündung, die ihm den nötigen Auftrieb gab, die zentrale Erkenntnis, „Customer Experience First“, gleich noch auf andere Branchen auszudehnen. Der nächste Schritt war Box Hotel. Blume entwickelte ein neues, innovatives Hotelkonzept, das die Reisegewohnheiten einer jungen Zielgruppe bediente.
Living in a Box
Ungewöhnlich genug: Blume übertrug seine Erkenntnisse, die er bei seinem Apotheken-Projekt gewonnen hatte, auf eine komplett andere Branche. Seine Überlegung war: Wer immer nur in seiner Branche denkt und niemals den Blick über den Tellerrand wagt, übersieht leicht, welche neuen Möglichkeiten und Veränderungen sich auf dem Markt und vor allem bei den Kundenwünschen in der Zwischenzeit entwickelt haben, seit man zum ersten Mal die Branche, den Markt und seine Kunden betrachtet hat. Viele Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen – ob nun im Bereich Apotheken, Hotel oder Banken, wagen diesen Schritt leider nicht. Das hat natürlich Folgen. Fehlende Interaktion mit dem Kunden. Lange Warteschlangen und unflexiblen Angeboten, sorgen für Verdruss beim Konsumenten. Kundenzufriedenheit ist allerdings ein nicht zu unterschätzender Faktor für geschäftlichen Erfolg.
Blume ist heute mehr denn je der Überzeugung, dass man in der Customer Experience mehr als einen Touch-Point sehen muss, der letztlich zum Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung führt. Denn der initiale Einkauf ist letztlich erst der Beginn der Reise und neue Konzepte werden auch die Art des Ver- oder Einkaufens und damit ein Stück der alltäglichen Kundenerfahrung verändern.
Das zeigt sich auch bei Blumes neuem Hotelkonzept „Box Hotel“, das er 2017 in Göttingen der Öffentlichkeit vorgestellte. Auf 450 Quadratmetern finden 47 Hotelzimmer Platz. Auf diese Idee würde man zunächst nicht kommen – wieso sollten kleinere Hotelzimmer genau das sein, was Kunden sich wünschen? Geht man aber einen Schritt zurück und schaut auf das große Ganze, macht diese Idee durchaus Sinn. Man muss sich nur von alten Annahmen lösen.
Am Anfang des Konzeptes der Boxhotels stand der Blick auf den bestehenden Markt. Blume schaute sich an, was dem Kunden bis dato üblicherweise geboten wurde und fragte sich, ob das nach wie vor das war, was vor allem die jüngere Generation noch möchte. Wollen Kunden tatsächlich heute noch einen Frühstückssaal oder gehen sie lieber zum Bäcker nebenan, weil dort die Brötchen besser schmecken und es schneller geht? Braucht es riesige Konferenzhallen, oder wählen Kunden nicht sowieso lieber einen Meetingraum on demand im nächsten Co-Working-Space? Blume beantwortete sich diese Fragen und strich alles, was er am tradierten Hotel-Konzept als überflüssig befand und von Kunden nicht genutzt wurde, aus seinem eigenen Konzept.
Mit den Box Hotels biete Blume den Kunden jetzt kleine Hotelzimmer, was dank hochwertiger Ausstattung und durchdachter Innenarchitektur natürlich keinerlei Abstriche beim Komfort bedeutet. Dadurch kann Blume geringere Preise anbieten – etwas, was den Kunden zweifellos sehr entgegen kommt. Darüber trägt Blume der neuen urbanen Mobilität Rechnung. Leisten seine Hotels doch einen wichtigen Betrag zum täglichen Leben des modernen, mobilen Menschen. Vor allem junge Leute sind heutzutage in der ganzen Welt vernetzt und benutzen regelmäßig preisgünstige Fernbusse, um Freunde rund um den Globus zu besuchen. Doch wenn sie dann 50 Euro für ein Hotelzimmer bezahlen müssen, hat der Hotelier das Kundenbedürfnis nicht verstanden. Blumes Ansatz war, im ersten Schritt einen attraktiven Preis für sich zu definieren und dann zu überlegen wie er das realisieren könnte. Daraufhin entwickelte er das Boxhotel und ließ es sich patentieren. Seine Kunden fanden sich in diesem Konzept prompt wieder und der Erfolg spricht Bände – nach der Eröffnung in Göttingen folgte ein zweites Hotel in Hannover, weitere Boxhotels sind bereits in Planung.
Blume glaubt, dass Menschen, die es tatsächlich schaffen, nachhaltig Veränderung in einem Markt zu schaffen und dafür die Grundbedingungen dieses Marktes ändern – einem ganz besonderen Menschenschlag angehören. Diese Personen gab es zu allen Zeiten der Geschichte und sie sind es, die die Menschheit entscheidend vorangebracht haben: Sie haben mit Feuer experimentiert, Menschen in neue Länder geführt und dazu angeregt, Erfindungen auszuprobieren. Blume umschreibt diese besondere Verfasstheit in Anlehnung an diese historischen Voranbringer der Menschheit mit dem „Häuptlings-Gen“.
Für Blume zählt aber nicht nur der eigene Erfolg, sondern es ist ihm sehr wichtig, die Fackel gewissermaßen auch weiter zu geben. Zusammen mit einem befreundeten gleichgesinnten Visionär hat er daher vor einigen Jahren die Rulebreaker Society gegründet. Hier tauschen sich regelmäßig Menschen aus, die den Status Quo nicht als gegeben hinnehmen wollen und bestehende Annahmen über Märkt immer wieder hinterfragen. Sie alle vereint eine bestimmte Art zu denken, die sie von anderen Menschen abhebt: Game Changer sehen Möglichkeiten, wo andere sie nicht sehen können. Wo andere nur die bedingten Möglichkeiten eines im Grunde unveränderlichen Marktes sehen, treten sie in Aktion und verändern die Grundbedingungen einfach. Sie entwickeln Visionen und setzen diese um – auch gegen Wiederstände. Und bringen sich, ihr Unternehmen und nicht zuletzt unsere Gesellschaft voran.